SEPP KUSS

Sepp Kuss mag, wie viele andere, sein Leben auf Eis gelegt haben, als sich ein Tour-de-France-Debüt und die Chance, beim größten Radrennen der Welt zu glänzen, abzeichnete. Aber anders als anderen macht ihm das Warten nichts aus.

 

Geerdet“ ist ein seltsames Wort, um einen der besten jungen Kletterer im Profipeloton zu beschreiben. Aber es ist das Wort, das einem sofort in den Sinn kommt, wenn man Sepp Kuss, den Kletterer aus Colorado und Überflie-ger in den Bergen der letzten zwei Jahre, das erste Mal trifft. 

Damals im Februar, bevor die globale Gesundheitskrise die Saison 2020 zum Stillstand brachte, war Nairo Quintana der Mann, den es zu schlagen galt. Am Mont Ventoux, auf der Schlüsseletappe der Tour de la Provence, heftete sich Kuss an das Hinterrad des Kolumbianers. 
Für einen Moment sah es so aus, als würde eines der epischen Kletterduelle  am Ventoux Gestalt annehmen, bevor Kuss schnell – und klug – seine Grenzen erkannte. 
„Ich fühlte mich gut“, sagt er gegenüber Procycling, als er sich, locker in die Pedale tretend, seinen Weg durch die Menge zu seinem Teambus bahnt. „Aber nicht gut genug, um mit Quintana mitzugehen.“ 
Als sich der Kolumbianer am Berg ab-setzte, musste Kuss abreißen lassen, aber je höher er kletterte, sagt er, umso besser fühlte er sich, also nahm er die Verfolgung auf. „Es war wie zu Hause im Hochgebirge, an das ich gewöhnt bin. Und ich ziehe es vor zu kämpfen, statt einfach zu folgen.“ 
Es gibt einige am Steuer von World-Tour-Teamwagen, die glauben, dass Kuss für Kapitänspflichten nicht geschaffen sei, wobei sie meistens auf seine begrenzten Qualitäten gegen die Uhr verweisen. Aber das könnte man auch von seinem kolumbianischen Rivalen am Ventoux sagen, und da Zeitfahren bei großen Rundfahrten eine immer geringere Rolle spielen, hat  es Quintanas Karriere nicht gerade gehemmt, besonders 2020. Kuss, mittlerweile 25 Jahre alt, wohnt in Andorra, verbringt aber, wie er anmerkt, „wie viele andere amerikanische Rennfahrer“ viel Zeit in Girona. Er hat ein gewinnendes  Lächeln und den jugendlich frischen, wuschelhaarigen Look eines Snowboarders, der nach einem langen Nachmittag an den Hängen ein kaltes Bier trinkt. 
Er war auch immer in der Höhe zu Hause. Kuss’ Vater Dolph war Skinationaltrainer der USA, und das führte dazu, dass sein Sohn im Freien aufwuchs, in den Bergen, Skilanglaufrennen machte – eine Betätigung, die ganz natürlich zu einer Teenagerliebe zum Mountainbiking und dann zum Straßenradsport führte. 
Die Berge und Trails von Durango und Boulder, schon mythologisch durch die Errungenschaften früherer Sportler aus Colorado, waren die Kulisse seiner Karriere, von Gateway Harley Davidson–Trek über Rally und weiter über den Atlantik, wo er jetzt bei den Jumbo–Visma-Allstars ist. 
Kuss hätte den Radsport nicht gebraucht. Er ist ein kluger Junge, nachdenklich und belesen, der an der Universität von Colorado englische Literatur studiert und einen Abschluss in Advertising hat. Er gab 2014 bei der Weltmeisterschaft  im norwegischen Lillehammer sein Debüt als Mountainbiker, lange bevor er auf das Rennrad umstieg. 

…den ganzen Artikel gibt es in der aktuellen Ausgabe der Procycling.



Cover Procycling Ausgabe 195

Den vollständingen Artikel finden Sie in Procycling Ausgabe 195.

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