Ein gutes Pflaster

Mit nunmehr sieben „Monumenten“ in seinem Palmarès ist Tom Boonen der erste Fahrer, dem das Flandern-Roubaix-Double zwei Mal gelang. Es war ein beeindruckendes Comeback nach zwei Jahren voller Stürze und Verletzungen, mit dem Boonen sich als belgische Nummer eins zurückmeldete.

 

Der Belgier selbst hat nie daran gezweifelt, dass er es wieder an die Spitze schaffen kann. „Du musst an dich glauben“, sagt Tom Boonen. „Das Einzige, was ich brauchte, war Zeit; motiviert hat mich, dass ich diese Rennen schon einmal gewonnen habe.“ Und wie es aussieht, startet er gerade erst wieder durch … Bei unserem Treffen mit Tom Boonen gab es einen Haken: Wir mussten uns auch mit Hunderten seiner Fans auseinandersetzen, die zum Gemeindehaus von Balen gekommen waren, um ihren Helden bei seiner Rückkehr zu begrüßen. Seit 2004 nimmt sich Boonen jedes Jahr den Samstag vor Lüttich-Bastogne-Lüttich frei, um mit Jugendlichen aus dem Ort Rad zu fahren und Autogramme zu schreiben für die Fans, die von Nah und Fern angereist sind, um ihren „Tommeke“ zu sehen. Die Menge ist wie bei jedem belgischen Rennen eine bunte Mischung: Ältere Herren mit Omega Pharma–Quick-Step-Kappen stehen um eine mobile Bar auf dem Parkplatz herum, Frauen in mittlerem Alter, die in der Gemeindehalle wahrscheinlich ein Kaffeekränzchen für einen guten Zweck veranstalten, führen einen Tanz auf, und mit Süßigkeiten abgefüllte Kinder toben in Hüpfburgen herum. Während wir die Szene beobachten und der Liveband zuhören, fließt das Bier. Die Leute sind ebenso wegen der Party hier wie wegen Tom.

Boonen ist in mehr als einer Hinsicht nach Hause gekommen in dieser Klassiker-Saison – der besten, die er je hatte. Neben der Rückkehr auf das oberste Treppchen des Podests bei den Kopfsteinpflaster-Klassikern – wo er sich 2005 und 2006 ganz zu Hause fühlte – haben er und seine Freundin Lore Van De Weyer auch ihre Sachen in Monaco gepackt, wo sie sechs Jahre gelebt haben, und sind wieder nach Belgien gezogen. Ungeachtet seines guten Aussehens, des Superstar-Status und des Rufs als früherer Partylöwe – die zwei positiven Tests auf Kokain sind so gut wie vergeben und vergessen – lief Boonen völlig entspannt durch das bieder-chaotische Ambiente. In einem Raum weiter hinten saß seine erweiterte Familie beim Essen. Definitiv seine Leute, aber das ist das Ding bei Tom – er zieht ganz Belgien in seinen Bann.

Bei der Türkei-Rundfahrt erklärte sein Sportlicher Leiter Wilfried Peeters später, dass Boonens Rückkehr nach Belgien auch damit zusammenhängt, wie er aufgewachsen ist. „Er war vorher jung und unbekümmert, und jetzt ist er etwas ernster. Tom mag seine Heimat, seine Familie und seine Freunde, und in Monaco war er allein. Er freut sich, wieder da zu sein“, sagt Peeters, der jetzt bei Boonen gleich um die Ecke wohnt. „Er ist jetzt 31, und Stabilität ist sehr wichtig für ihn.“
Auf dem Fan-Tag erklärt Dany Ramaekers, der Fanclub-Vorsitzende, der Boonen seit seinem sechsten Lebensjahr kennt, dessen Beliebtheit: „Er ist eine tolle Persönlichkeit, sogar eine unglaubliche Persönlichkeit. Er ist wie ein Freund für uns. Über die Belgier sagt man, dass sie mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und nicht abheben, und das ist typisch Tom.“

In diesem Jahr jubelte der Fanclub darüber, dass Boonens Glanz wieder erstrahlt ist. Unter der Studiobeleuchtung lächelte Tommeke sein schönstes Siegerlächeln und spulte die Posen ab wie die Rekorde, die er in diesem Frühjahr aufgestellt hat. Der Lauf begann mit einem Etappensieg bei Tour de San Luis in Argentinien Ende Januar, nach welchem er nicht mehr vom Gas ging, bis er gut zwei Monate später einen spektakulären Sieg bei „meinem ganz besonderen Rennen“ feierte, Paris-Roubaix. Boonen gewann ganze neun Rennen und verbuchte auf dem Weg dorthin bei Paris-Nizza seinen 100. Profisieg. In den letzten zwei Wochen gewann er als erster Fahrer E3 Harelbeke, Gent-Wevelgem, Flandern und Roubaix in einer Saison. Es war sein fünfter Sieg beim E3 Harelbeke, womit er alleiniger Rekordhalter ist. Zudem hat Boonen als erster Fahrer das Flandern-Roubaix-Double wiederholen können und mit Roger „Mr. Paris-Roubaix“ De Vlaeminck gleichgezogen, der ebenfalls vier Siege in der „Hölle des Nordens“ zu Buche stehen hat. Einige nannten Boonen den besten Kopfstein-Klassiker-Spezialisten aller Zeiten, doch er versichert, dass er sich der Größenordnung seines Erfolgs gar nicht bewusst war. „Nach diesen zwei Wochen, diesen beiden super Wochen, habe ich jetzt ein paar Rekorde hinter mir“, sagt er, als wir uns in einer spärlich eingerichteten Bar am Rande der Gemeindehalle hinsetzen. In der Ecke schmücken sein Weltmeistertrikot von 2005 und sein Landesmeistertrikot von 2009 die nackte Ziegelwand. „Ich habe nicht versucht, irgendwelche Rekorde zu brechen, aber in diesem Jahr standen einfach viele Rekorde da und haben auf mich gewartet. Ich habe einfach nur versucht, bei jedem Rennen, wo ich gestartet bin, ein Resultat zu holen.“
  
Trotzdem blickte Boonen im Oktober 2011 auf eine 18-monatige Phase zurück, die gemessen an seinen hohen Standards extrem mager war. Das sportliche Highlight war sein Sieg bei Gent-Wevelgem 2011 – der einzige nennenswerte Höhepunkt, der aus den pech- und verletzungsbedingten Tiefen herausragte. Was Boonens Misere noch deutlicher hervortreten ließ, war die grandiose Form, in der sein Landsmann Philippe Gilbert das ganze Jahr über war. Nicht, dass Boonen das angestachelt hätte. Leute, die ihn kennen, sagen, Boonen sei nicht der Typ, der seine Motiva-tion aus den Erfolgen anderer zieht.

Der Ausgangspunkt für Boonens anderthalb verkorksten Jahre war ein Sturz bei der Kalifornien-Rundfahrt 2010. Die Verletzung am linken Knie war nicht gravierend und bald fuhr er wieder Rennen, doch dann wurde Boonen bei der Tour de Suisse, als Mark Cavendish Heinrich Hausslers Hinterrad touchierte, in den spektakulären Crash verwickelt, wodurch die Verletzung schlimmer wurde. Eine Operation folgte während der Tour de France. Danach gab es zwei gegensätzliche Erfordernisse: Der Klassikerfahrer musste die Verletzung auskurieren, brauchte jedoch Rennen, um in Form zu bleiben. „Ich habe versucht, zu machen, was maximal möglich war, aber mein Körper brauchte den Wettbewerb und auch Zeit, um die maximale Kraft wiederzuerlangen.“

Also stellte er ein solides Winterprogramm zusammen, und obwohl er hin und wieder Schmerzen hatte, als die Saison 2011 losging, war er – wie er sagt – nur zwei oder drei Prozent von seiner Topform entfernt. Abgesehen von Gent-Wevelgem, seinem üblichen Etappensieg bei der Katar-Rundfahrt und einem soliden vierten Platz bei Flandern kam Boonen mit leeren Händen aus der Klassikersaison. Dann fingen die Stürze an. Bei Paris-Roubaix ging es damit los, dass sich auf dem Pavé von Arenberg seine Kette verklemmte. Als er fast wieder Anschluss gefunden hatte, blieb eine Trinkflasche zwischen Laufrad und Rahmen stecken, und als er anhielt, um sie zu entfernen, fuhr Maarten Wynants in ihn hinein, womit das Rennen gelaufen war. Bei der Tour litt er nach einem Sturz auf der 5. Etappe unter Kopfschmerzen und gab zwei Tage später auf. Das Pech verfolgte Boonen bis zur Vuelta, wo er stürzte und sich das Handgelenkt brach. Gleichzeitig litt er, wie er zugab, unter einer schmerzhaften Entzündung am Gesäß. „Da dachte ich, jetzt muss es doch einmal genug sein“, sagt er. „Dann nahm ich mir einige Zeit frei und ließ es richtig verheilen, und dann fing ich wieder mit dem Training an wie immer.“ Als das Handgelenk auskuriert war, hakte er 2011 ab und kniete sich in die Arbeit, nahm die Saison 2012 ins Visier.
 
Doch während Boonen stürzte und sich erholte, musste er sich auch um sein Team kümmern: nämlich die Verjüngung von Quick-Step, das Team, zu dem er neun Jahre zuvor gekommen war und mit dem er identifiziert wurde.
In gewisser Weise führte Boonens Vorrangstellung zur Schwächung des Teams – während er stärker wurde, verkümmerte der Rest der Mannschaft. Paolo Bettini hatte seine Karriere 2008 beendet, und abgesehen von bewährten Leuten wie Sylvain Chavanel und Niki Terpstra, die 2009 beziehungsweise 2011 kamen, hatten sie niemanden, der für Siege sorgen konnte. Tatsächlich wirkte Quick-Step von 2009 bis 2011 unbeteiligt, fast gelangweilt bei allen Rennen, die nicht in Belgien stattfanden oder keine Klassiker waren. Zur Veranschaulichung: Bei 189 Grand-Tour-Etappen und -Prologen, die in dem Zeitraum ausgetragen wurden, holte das Team gerade einmal fünf Siege – und die allesamt im Jahr 2010.
Im Frühjahr 2010 hatten rivalisierende Teams herausgefunden, wie man Boonen schlägt – indem man ihn weit vor der Ziellinie erledigt. „Die Frühjahrsklassiker, wo Fabian mich auf der Muur stehenließ, fühlten sich an wie mein stärkstes Jahr!“ berichtet er, „aber Saxo Bank hatte auch Matti Breschel im Team, und es hat mich viel Kraft gekostet, um zu dem Punkt zu kommen, wo er mich abhängte.“ Und das stimmt. 2009 und 2010 – vor dem Sturz – fuhr Tom Boonen regelmäßig gute Platzierungen ein, gewann aber nicht. „In Landesmeistertrikot wurde ich Zweiter bei Paris-Tours, Zweiter bei Mailand-San Remo, Zweiter bei Flandern und Fünfter bei Paris-Roubaix. Vielleicht ist es besser, das Trikot nicht zu gewinnen! Aber das meine ich – es war auch ein erstaunliches Jahr für mich. Ein Zehntelprozent extra, und du kannst Paris-Tours, San-Remo und Flandern gewinnen. Es war überhaupt nicht so schlecht für mich“, sagt er.
Irgendetwas musste sich ändern, und am Ende verlor Boonen die Geduld. Er hatte es satt, nicht genug Unterstützung zu haben. „Wir hatten kein Team. Ich war immer auf mich allein gestellt, vielleicht mit einem Fahrer, der mir ein bisschen half. Aber wenn du dich mit Teams mit sechs oder sieben Leuten auseinandersetzen musst, ist es fast unmöglich – sie bringen dich um, bevor du auf dem letzten Kilometer bist“, erklärt er.

 

„Ich bin seit zehn Jahren bei dem Team, und in den letzten Jahren ging es bergab. Die Motivation war auch bei Patrick Lefévère weg. Ich hatte den Eindruck, dass alle nur noch auf das Ende warteten – es gab keine Motivation. Ich hatte die Nase voll davon, denn dieses Team ist auch ein wenig meine Familie und mein eigenes Kind. Ich und Sylvain hatten ein nettes kleines Gespräch mit Patrick und wir sagten, wenn wir das Geld auf-treiben können, müssen wir das Team verändern, denn jetzt geht es in die falsche Richtung.“ Wenn das Tête-à-tête mit Lefévère den Anstoß gab, so erleichterte es den Job des Managers ungemein, dass Boonen im Juni seinen Vertrag mit dem Team verlängerte. Mit ihm als goldene Gans im Stall und Omega Pharma als Titelsponsor neben Quick-Step, hatte das Team schließlich das Geld, um die Mannschaft zu verstärken. Durch die Auflösung von HTC-Highroad und die Fusion von RadioShack und Leopard Trek war der Markt überschwemmt, und Lefévère zog Tony Martin, die Velits-Zwillinge, Levi Leipheimer und andere vielversprechende Fahrer an Land. „Am Ende wurden alle Vorschläge, die wir gemacht haben, umgesetzt, und es war okay“, sagte Boonen. „Es waren nicht nur die Fahrer, wir haben auch die richtigen Leute geholt, um uns ein bisschen aufzufrischen – Chiropraktiker und Trainer für Olympia-Teams“, sagt er. „Das waren die richtigen Maßnahmen, und sie kosten nicht viel – du brauchst nur die richtigen Leute mit dem richtigen Sachverstand zu holen. Das war das Verrückte: Keiner wollte etwas verändern – es war gut so, wie es war.“

Es war ein kalkuliertes Risiko, bei seinem Team zu bleiben, und die Entscheidungsfindung hat dem Belgier sicher einige schlaflose Nächte bereitet. Dennoch glaubt Boonen nicht, dass die Rückschläge und Verletzungen ihn je davon abhalten konnten, wieder auf die Siegerstraße zu kommen. „Ich bin jetzt seit elf Jahren Profi“, sagt er, „und ich weiß, wenn du verletzt bist, brauchst du Zeit – du verlierst ja nicht plötzlich dein Talent. Motivation für deinen Sport zu haben, gehört zum Talent, und ich war immer sehr motiviert. Natürlich war es nicht leicht, aber ich habe es durchgezogen.“ Wie der Sportliche Leiter Peeters sagte, als er über Boonen sprach, basiert der Erfolg im Radsport auf einer „positiven Spirale“: Boonen übernahm trotz seiner Rückschläge die Verantwortung und startete sich und das Team neu. „Er ist mental sehr stark“, fügte Peeters hinzu, „Stress ist kein Problem für ihn. Wenn er ein Rennen fährt, ändert sich die Mentalität der anderen Fahrer – er ist ein Star und er holt die Ergebnisse für das Team.“
  
Boonens Vorbereitung im Winter lief reibungslos – bevor er 2012 überhaupt europäischen Boden betrat, hatte er schon vier Siege gefeiert. Er war glänzend aufgelegt; bei Katar und Oman hatten die Manager anderer Teams festgestellt, wie entspannt er aussah. Es war der alte Tom Boonen, fand Dirk Demol von RadioShack-Nissan, und alle – sein Team, die Medien und die Fans – waren froh, dass er wieder da war. Er schien auch sein Talent für Massensprints wiederentdeckt zu haben, nachdem er letztes Jahr zugeben musste, gegen Cavendish & Co. bei Massenankünften kein Mittel zu finden. Und trotzdem – für die zweite Hälfte von Boonens Frühjahr hat sich ein großes Hindernis selbst aus dem Weg geräumt: Fabian Cancellara. Der Schweizer galt vor den Klassikern als Mitfavorit, wenn nicht als klarer Favorit, um eines oder beide Kopfsteinpflaster-Monumente zu gewinnen. Doch während Boonens Erfolge sich multiplizierten, häufte sich auch das Pech von Cancellara. Er sah stark aus beim E3-Harelbeke, aber nach zwei Defekten und Stürzen war er schon vor dem Finale ausgeschaltet. Wie für Boonen bei Roubaix ein Jahr zuvor war die Saison für Cancellaras Saison 60 km vor der Ziellinie der Flandern-Rundfahrt in Oudenaarde abrupt beendet, als er stürzte und sich das Schlüsselbein brach.

Ohne Cancellara hatte das OPQS-Triumvirat aus Boonen, Niki Terpstra und Chavanel bei Flandern und Paris-Roubaix weitgehend freie Fahrt. Nimmt man Chavanels Sieg bei den Drei Tagen von De Panne und Terpstras beim Dwars door Vlaanderen hinzu, sah die Saison einseitig aus: Das belgische Team gegen den Rest des Pelotons. Roger de Vlaeminck, legendärer Gewinner von ganzen elf Monumenten, konnte es nicht lassen, Boonens Sieg schlechtzumachen. Er habe der Königin der Klassiker gegen „drittklassige Gegner“ gewonnen, lästerte der Belgier. „Ach, darüber brauchen wir uns gar nicht zu unterhalten“, antwortet Boonen auf die Frage, inwieweit er seinen Erfolg dem Fehlen von Cancellara zu verdanken hat. „Manchmal fehlen auch andere Fahrer, weil sie verletzt sind – sowas passiert eben. Wenn er dagewesen wäre, natürlich, dann hätte sich das Rennen anders entwickelt, aber ich glaube, bei der Flandern-Rundfahrt hätte er bis zum letzten Kwaremont oder Paterberg warten müssen, oder er hätte sich im Wind umgebracht. Jemanden auf diesen Anstiegen abzuhängen, ist nicht so leicht, genauso wenig bei Paris-Roubaix.“

Das Highlight von Boonens Saison war zweifellos sein 50-km-Solo nach Roubaix – es war der mutigste seiner vier Siege bei dem Rennen, und es elektrisierte seine Fans. Zuerst sah es viel zu früh aus, fast, als hätte sich Boonen verrechnet. Aber wie ein anderer mehrfacher Klassiker-Sieger, Michele Bartoli, twitterte, als Boonens Vorsprung mit jedem Kopfsteinpflasterabschnitt wuchs, ist der Unterschied zwischen einem guten Fahrer und einem Champion, dass ein Champion nichts zufällig macht. „Ich bin niemand, der sofort eine Minute rausfährt und sich dann umbringt“, erklärt Boonen. „Das war die Geschwindigkeit, mit der ich fahren musste. Ich konnte nicht langsamer werden, weil ich eine Sekunde nach der anderen holen wollte. Ich wusste, dass ich dieses Tempo noch weitere 20 Kilometer hätte halten können. Ich war nicht am Limit, ich konzentrierte mich und ich hatte das richtige Tempo.“ Nicht einmal das Team Sky, das drei Fahrer auf die Verfolgung schickte, konnte ihn noch einholen. „Das Geheimnis liegt nicht im schnellen Fahren – du musst wissen, was dein Körper aushält, und nach all diesen Jahren weiß ich das. Ich habe auf dem Kopfsteinpflaster Gas gegeben und dann zwischendurch rausgenommen und mich ein bisschen erholt – das war der Ort, an dem man arbeiten musste.“

Für Boonen war 2012 bereits ein gewaltiger Erfolg, aber es könnte noch mehr kommen: Jetzt hat er die belgische Meisterschaft im Juni, Olympia und die Weltmeisterschaft in Limburg im Visier. Im Moment scheint für Boonen alles erreichbar zu sein. Bei der Landesmeisterschaft kann er mit Unterstützung seines Teams fahren, und die Kurse bei Olympia und der WM liegen ihm. 2006 holte er das Gelbe Trikot der Tour de France nach einer Etappe, die auf derselben Ziellinie endete wie der WM-Kurs 2012, 1,5 km nach der Kuppe des Cauberg – reichlich Zeit für ihn, um an den Hinterrädern zu bleiben und sich auf den Sprint vorzubereiten, sagt er.

Gegen Ende des Interviews, bevor Boonen nach draußen geht und von seinen Fans gefeiert wird, fragen wir ihn, ob er je daran gezweifelt hat, dass er es wieder an die Spitze des Radsports schaffen kann. „Nie“, sagt er, ohne zu zögern. Und er musste sich auch nie Hilfe bei anderen Leuten suchen. Er hat immer an sich selbst geglaubt. „Ich brauchte nur etwas Zeit, und ich habe meine Motivation daraus gezogen, dass ich diese Rennen schon einmal gewonnen habe und weiß, wie viel Spaß es macht, sie zu gewinnen. Wenn du eine schlechte Saison hast, kannst du dich motivieren, indem du zurückschaust und dir sagst: ‚Ja, das will ich noch mal‘. Du musst an dich glauben. Für einen Profi, der in seiner Karriere keine Resultate hatte, ist es schwerer. Aber wenn du es schon einmal geschafft hast, weißt du, dass du es wieder kannst. Du musst dich antreiben, und was mich angeht – ich trainiere gerne.“

Kommt da also noch mehr? „Es gibt immer einen Verbesserungsspielraum. Immer. Schon als Fabian mich abhängte [2010 auf der Muur] , wusste ich, dass ich noch vieles verbessern kann. Ich wusste: Wenn ich genauso viel arbeite, kann ich besser werden, und das bin ich, denn ich denke, im Moment bin ich am stärksten Punkt meines Leben. Ich glaube, ich kann noch drei oder vier Jahre wie dieses haben.“
Was bestimmt Musik in den Ohren seiner vielen begeisterten Fans ist.

 



Cover Procycling Ausgabe 100

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