Einstand nach Mass

Stolze sechs Wochen sind seit meiner letzten Kolumne vergangen – und ich kann euch sagen, es war eine sehr ereignisreiche Zeit: So standen nicht nur zahlreiche Einsätze bei den belgischen Frühjahrsrennen, sondern auch die Präsentation unseres neuen Hauptsponsors auf dem Programm. Ein besonderes Highlight war dabei allerdings sicherlich mein Erfolg beim Scheldeprijs.

 

Der flämische Klassiker nahe Antwerpen wird oft als inoffizielle Weltmeisterschaft der Sprinter angesehen. Warum das so ist? Ein Blick auf die Startliste verrät alles! Fast alle Teams treten hier mit ihren endschnellen Fahrern auf – kein Wunder, geht es auf dem 202 Kilometer langen Parcours doch größtenteils flach dahin. Eine Massenankunft ist also vorprogrammiert und auch dieses Jahr waren sich die dominierenden Mannschaften recht schnell einig, dass die Gruppe des Tages das Ziel nicht vor dem Hauptfeld erreichen sollte. Als es auf die Schlussrunde ging, war ein Spurt des Pelotons angesagt. Allerdings sorgte diese Rennsituation auch für Hektik, denn die Fahrer erwartet beim Scheldeprijs im Finale tückisches Kopfsteinpflaster. Dieses Jahr kam auf den letzten Kilometern auch noch strömender Regen hinzu, sodass es richtig heftig wurde. Ich konnte mich in dieser Situation Gott sei Dank aus dem Gröbsten heraushalten und einen Sturz vermeiden. Die Mannschaft half mir wirklich großartig, mich zu positionieren und als es auf die letzten Meter ging, konnte ich diese Arbeit zurückzahlen: Ganz knapp gewann ich den Sprint vor dem Amerikaner Tyler Farrar und dem Niederländer Theo Bos. Im Ziel war die Freude groß: Ich bin überglücklich bei der inoffiziellen Sprinter-WM vorne gelandet zu sein – ein Erfolg, auf den ich wirklich sehr stolz bin.

Schon im Vorfeld des Scheldeprijs hatte ich gespürt, dass meine Beine immer besser wurden. Beim Handzame Classic, einem kleineren belgischen Eintagesrennen Ende März, musste ich nur dem Italiener Francesco Chicchi den Vortritt lassen und wurde Zweiter – und bei den Drei Tagen von De Panne konnte ich sogar eine Etappe für mich entscheiden. Es waren also wirklich erfolgreiche und auch sehr schöne Wochen in Belgien, das muss ich schon zugeben: Die Zuschauer sind hier sehr euphorisch und man kann sich vom Radsportfieber der Leute mitreißen lassen. Ein einziger Wermutstropfen ist, dass ich durch mein belgisches Intermezzo dieses Jahr Mailand – San Remo auslassen musste – eine Teilnahme dort steht sicherlich ganz weit oben auf meiner Wunschliste für das nächste Jahr.
 
Nun aber zurück zum Scheldeprijs und der regnerischen Schlussphase: Durch die Nässe sind natürlich auch unsere schöne neuen Klamotten schmutzig geworden: Ein paar Tage zuvor wurde unser Team komplett neu eingekleidet, denn ab sofort sind wir ja mit einem neuen Sponsor unterwegs: „Argos Oil – Shimano“ prangt nun vorne auf den weiß-grün-blau-roten Shirts – ein schönes Design. Somit fand für mich schon die zweite Teampräsentation in diesem Jahr statt. Dass es dann bei meinem ersten Rennen im neuen Outfit, dem Scheldeprijs, direkt mit einem Sieg klappte, war natürlich ein perfekter Einstand für unsere neue, alte Equipe.

Für mich beginnen jetzt zwei ruhigere Wochen: So werde ich in unserer spanischen Teambasis in Altea ein paar Urlaubstage verbringen und die Kraftspeicher für den zweiten Saisonabschnitt auffüllen. Der ist natürlich vor allem von der Tour de France geprägt, für die wir jetzt erfreulicherweise die ersehnte Wildcard erhalten haben. So dienen auch meine nächsten Rennen vor allem der Vorbereitung. Pünktlich, wenn ihr dieses Heft in den Händen haltet, rolle ich dann gerade durch die Türkei. Nach einer weiteren Ruhephase im Anschluss geht es wahrscheinlich zur Kalifornien-Rundfahrt. Ich glaube, die Beine waren die letzten beiden Wochen sehr gut und daher bin ich auch sehr zuversichtlich, was die nächsten Rennen angeht. Bis zum nächsten Mal!
 
Marcel Kittels Profi-Karriere startete Anfang 2011 bei Skil-Shimano. Mit 17 Siegen war der 23-Jährige erfolgreichster deutscher Sprinter der vergangenen Saison. Dieses Jahr wird er in jeder Ausgabe von seinem Rennalltag berichten.


Cover Procycling Ausgabe 99

Den vollständingen Artikel finden Sie in Procycling Ausgabe 99.

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