Ein tolles Jahr

Während ich euch diese Zeilen schreibe, befinde ich mich mit meiner Familie gerade im Entspannungsurlaub. Erholung muss schließlich auch mal sein. Gerade wenn man so oft unterwegs ist wie wir Profis, ist diese Zeit besonders wertvoll. Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, auf die vergangene Saison zurückzublicken und gleichzeitig eine Vorschau auf 2012 wagen.

 

Ich erinnere mich noch gut an das Teammeeting vor gut einem Jahr: Wir hatten uns damals vorgenommen, das beste Team der Welt zu werden. Und heute steht Omega Pharma – Lotto tatsächlich auf Position eins. Klar – ohne den über-ragenden Philippe Gilbert wäre das nicht möglich gewesen. Aber am Ende trug doch jeder einzelne Punkt dazu bei, dass wir das World-Tour-Ranking für uns entscheiden konnten. Für mich persönlich war dieses Jahr dabei eine ganz neue Herausforderung: Erstmals ging ich als alleiniger Sprintkapitän in die Rennen – mit dem Wissen, dass mit Van den Broeck und Gilbert zwei andere Fahrer ebenfalls ihre eigenen Interessen verfolgen. Wir harmonierten aber sehr gut, sodass jeder von uns seine Höhepunkte erleben konnte.

Für mich gab es dabei mehrere Highlights. Paris – Roubaix wird mir beispielsweise immer in Erinnerung bleiben. Zum einen ist daran natürlich die außergewöhnliche Atmosphäre des Rennens schuld und zum anderen mein Abschneiden. So ging ich erstmals mit der Motivation an den Start, ein gutes Ergebnis abzuliefern – und ohne den Platten hätte ich das sicher geschafft und wäre wohl unter die besten Zehn gekommen. Das zeigt mir, dass ich in Zukunft auch bei solchen Rennen vorne mitfahren kann. Dann ist natürlich noch ganz klar die Tour de France zu erwähnen. Drei schöne Wochen verbrachte ich in Frankreich – aber auch sehr harte. Der Etappensieg war natürlich ein absolutes Highlight. Auch Frankreich werde ich nie vergessen!

Es gab aber auch Tiefen: Die Cyclassics in Hamburg zum Beispiel. Hier hatte ich mir nicht weniger als den Sieg vorgenommen. Dass es damit nicht klappte, zeigt aber, dass ich auch nur ein Mensch wie jeder andere bin. Und im Hinblick auf die Straßen-WM war es im Nachhinein ja auch die richtige Entscheidung, es danach etwas ruhiger angehen zu lassen.

Die Weltmeisterschaften in Dänemark werden natürlich ebenfalls für immer in meinem Kopf hängen bleiben. Es gingen die besten deutschen Fahrer an den Start, und die Stimmung im Team war einmalig. Meine Rolle als einziger Kapitän war für mich auch eine sehr schöne Sache. Dadurch lastete allerdings auch ein starker Druck auf meinen Schultern – ich schaffte es allerdings, gut damit umzugehen.
 
Nun aber zurück in die Gegenwart: Gerade komme ich von unserem ersten Teamtreffen für die kommende Saison: Wir besprachen die Termine für Leistungstests und Trainingslager und erledigten andere organisatorische Aufgaben. Auch mein neues Rad steht schon bei mir zu Hause. Obwohl sich die Mannschaft geteilt hat, denke ich, dass wir 2012 sehr gut aufgestellt sind. Greg Henderson und Lars Bak stoßen zu uns und werden uns im Sprint verstärken. Mit Greg habe ich schon immer gute Erfahrungen gemacht und zusammen mit ihm viele Erfolge gefeiert. Wenn ich mir vorstelle, mit ihm, Bak, Roelandts und Sieberg auf die letzten Kilometer zu gehen – ich denke, wir werden nur sehr schwer zu schlagen sein.

Meine Rennplanung steht bisher ebenfalls in groben Zügen: Ein Höhepunkt soll natürlich wieder die Tour de France werden. Außerdem denke ich auch an Olympia. Man hört, dass der Kurs nur einen Berg beinhalten soll – es könnte also durchaus sein, dass es ein Sprinterrennen wird. Aber mal sehen. Beginnen werde ich wohl wieder mit der Tour Down Under. Zwar ist das wegen der noch fehlenden Lizenz unserer Mannschaft noch nicht sicher – aber ich würde sehr gerne dort starten. Schließlich hat sich der Beginn in Australien bei mir bewährt.

Zum Schluss dieser Kolumne möchte ich mich natürlich noch bei allen Fahrern, Betreuern und Mannschaftsleitern bedanken. Wir waren ein perfektes Team, und ich finde es sehr schade, dass wir nun teilweise getrennte Wege gehen müssen. Aber für uns alle gilt nun eins: nach vorne  schauen und neue Ziele stecken!
 
André Greipel ist einer der erfolgreichsten Sprinter im Profi-Peloton. Nach fünf Jahren bei HTC-Columbia und T-Mobile trägt er seit 2011 das Trikot von Omega Pharma – Lotto.
 


Cover Procycling Ausgabe 94

Den vollständingen Artikel finden Sie in Procycling Ausgabe 94.

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