Ein vorschnelles Verbot?

Paris–Roubaix 2016 war an Spannung nicht zu überbieten! Doch schon kurz nach dem Rennen diskutierte das Gros der Radsportwelt nicht mehr über den Rennverlauf an sich, sondern über eine Technologie, die die Szene seit Jahren spaltet: Scheibenbremsen.

 

Der Spanier Francisco Ventoso hatte sich bei einem Crash an der Metallscheibe eines Kontrahenten schwer verletzt. In einem offenen Brief forderte Ventoso kurze Zeit später das Ende der Discs – untermalt von blutigen Fotos. Die UCI reagierte prompt: Der Test ist nach nur wenigen Monaten beendet, Scheibenbremsen sind vorerst aus dem Peloton verbannt. Eine vorschnelle Reaktion. Disc Brakes bleiben nämlich weiterhin ein entscheidender technischer Innovationsschritt im Straßenradsport – trotz Ventosos Unfall: Im Mountainbikesport seit Jahren bewährt, hat die Rennradszene lange genug auf diese Technologie gewartet: Bessere Dosierung bei gleicher Bremsleistung und geringerer  Einfluss von äußeren Bedingungen sind nur zwei Argumente, warum Scheiben ihre absolute Berechtigung in der Rennradtechnik des 21. Jahrhunderts haben – auch im Profiradsport. Ventosos Verletzung mag zwar auch zeigen, dass die Bedenken gegenüber den „Messern am Rad“, wie sie Trek-Profi Markel Irizar einst nannte, nicht unberechtigt waren. Doch anstelle eine Technologie übereilig zu verbieten, wäre es wichtiger, diese konstruktiv weiterzuentwickeln und zu diskutieren. Abdeckungen, sicherere Bauformen und neue Materialien sind dabei nur einige Möglichkeiten, mit denen man Scheibenbremsen und damit das Leben im Peloton in Zukunft sicherer gestalten könnte – insbesondere in Zeiten, in denen der Radsportweltverband nicht vor Rennen über verschneite Passabfahrten oder dem Einsatz von halsbrecherischen Kameramotorrädern zurückschreckt.Um solche Wege zu finden, braucht es nun tiefgründige Gespräche. Diskussionen im Sinne des Fortschritts, Debatten, die an der Zukunft und nicht an der Vergangenheit des Radsports arbeiten. Nur so kann eine Lösung für die Verwendung von Scheibenbremsen erarbeitet werden – eine, die gleichermaßen im Sinne von Fans, Funktionären, Herstellern und allen voran den Fahrern ist. Auch von Francisco Ventoso. Diesem wünschen wir an dieser Stelle auf jeden Fall gute Besserung!
 
Und Ihnen, liebe Leser, nun viel Spaß beim Schmökern der neuen Ausgabe von Procycling.
 
Werner Müller-Schell
Redaktion
 


Cover Procycling Ausgabe 147

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