Fab Four – die Stars der Zukunft

Peter Sagan, Greg Van Avermaet, Vincenzo Nibali – seit Jahren wird der Profiradsport von den gleichen Namen geprägt. Im Windschatten der Stars steht allerdings längst eine neue Fahrergeneration bereit, die das Talent besitzt, in wenigen Jahren selbst das Tempo im Peloton zu bestimmen. Procycling begleitet vier dieser jungen Talente aus dem deutschsprachigen Raum durch die Saison 2018.

 

Felix Großschartner
Team Bora-hansgrohe
24 Jahre, 3. Profisaison

Die 17. Etappe des letztjährigen Giro d’Italia wird Felix Großschartner noch länger in Erinnerung behalten. Auf dem 219 Kilometer langen Teilstück von Tirano nach Canazei im Fassatal attackierte der junge Österreicher früh, setzte sich in der 24-köpfigen Spitzengruppe des Tages fest und jubelte am Ende über den siebten Tagesrang. „Ich bin überglücklich. Ich habe so lange auf meine Chance bei diesem Giro warten müssen. Heute hatte ich extrem schnelle Beine, und für einen Kletterer ist ein siebenter Platz im Sprint ja nicht so schlecht“, freute sich der Bergspezialist, der in diesem Winter vom polnischen Team CCC Sprandi Polkowice zu Bora–hans-grohe in die WorldTour wechselte. Dass Großschartner 2018 seine Chance in der ersten Radsportliga erhält, kommt nicht von ungefähr: Sein Auftritt beim Giro zeigte schließlich nicht zum ersten Mal die Stärke des 64-Kilo-Leichtgewichts im Gebirge: 2014, gerade einmal 20 Jahre jung, wurde er österreichischer Staatsmeister am Berg. Ein Jahr später, damals noch Nachwuchsfahrer in der drittklassigen österreichischen Felbermayr-Mannschaft, sicherte sich der Welser im Rahmen der Österreich-Rundfahrt den begehrten Titel des Glocknerkönigs und später auch das Bergtrikot. Jener Auftritt bei seiner Heimrundfahrt war schließlich die Initialzündung für den Aufstieg zu den Profis: Noch in der gleichen Saison fuhr er als Stagiaire für Tinkoff-Saxo, ehe er 2016 zu CCC Sprandi-Polkowice wechselte.

Reifeprüfung in Polen
In der zweitklassigen polnischen Equipe entwickelte er sich von Beginn an zum Leistungsträger: In zwei Jahren wurde er unter anderem jeweils Vierter bei der Kroatien- und der Österreich-Rundfahrt. Die Czech Cycling Tour beendete er auf Platz sieben, genau wie jenen 17. Tagesabschnitt der letztjährigen Italien-Rundfahrt. Leistungen, die den Machern von Bora–hansgrohe um Teamchef Ralph Denk nicht verborgen blieben. „Ich kann gut Berg- und auch gut Zeitfahren. Mein größtes Potenzial sehe ich deshalb in den Gesamtklassements bei Etappenrennen“, sagt Großschartner selbst. Und im Hinblick auf seinen Wechsel führt er an: „Ich bin mir sicher, dass ich durch das neue Material und die gute Betreuung im Team einen anständigen Schritt nach vorne machen kann.“ Nach seiner Kapitänsrolle bei CCC muss das junge Klettertalent sich nun allerdings auch neu beweisen – und das auf WorldTour-Niveau: „Meine Ziele sind, mich selber gut weiterzuentwickeln und gemeinsam mit dem Team Erfolge einzufahren. Ich will meine Kapitäne gut in den Bergen unterstützen und sobald ich eine Chance bekomme, sie auch zu nützen“, gibt er sich trotzdem ambitioniert. Dass er auf gutem Weg ist, seine Chance zu nutzen, zeigte Großschartner bereits bei seinem ersten Rennen, der Mallorca Challenge, als er beim bergigen Trofeo de Serra Tramuntana auf Rang zehn landete – zeitgleich mit keinem Geringeren als Kletterspezialist Bauke Mollema. In den nächsten Wochen wird ihn sein Weg über Murcia- und Algarve-Rundfahrt, Paris–Nizza, Baskenland-Rundfahrt und Tour of the Alps schließlich zu dem Rennen führen, bei dem er schon im vergangenem Jahr auf Tuchfühlung zur Weltspitze war: dem Giro d’Italia.

Palmarès
4. Platz Österreich-Rundfahrt 2017 (2.1)4. Platz Tour of Croatia 2016 & 2017 (2.1), 7. Platz 17. Etappe Giro d’Italia 2017 (GT), 7. Platz Czech Cycling Tour 2016 (2.1), Bergtrikot Österreich-Rundfahrt 2015, Österreichischer Meister Berg 2014

Maximilian Schachmann
Quick-Step Floors
24 Jahre, 2. Profisaison

Wenn man in toller Form ist, aber einem die Gesundheit im Weg steht, ist das besonders ärgerlich. Maximilian Schachmann fand sich im vergangenen Jahr genau in jener Situation wieder: Nach einer starken ersten Saisonhälfte stürzte der 23-jährige Berliner auf der fünften Etappe der Polen-Rundfahrt im August schwer und brach sich die rechte Ferse. Die Verletzung kostete Schachmann, der zuvor unter anderem Vierter beim Prolog der Tour de Romandie geworden war und sich in seinem ersten Profijahr zum Leistungsträger seiner Mannschaft entwickelt hatte, schließlich den kompletten Herbst. „Mit meiner Saison bin ich eigentlich sehr zufrieden – bis auf das unglückliche Ende eben“, blickt er selbst zurück. Mittlerweile hat sich der Vizeweltmeister im Zeitfahren der U23 von 2016 von seiner Verletzung wieder erholt und befindet sich mitten in den Vorbereitungen auf die Saison. Zwar spüre er beim Laufen noch häufig Schmerzen – „auf dem Rad habe ich aber kaum noch Probleme“, sagt Schachmann. Über den Winter hat der talentierte Zeitfahrer und Rundfahrer – unter anderem wurde er 2017 auch Vierter der Ster ZLM Tour in den Niederlanden – vor allem an seinen Zeitfahr- und Bergqualitäten gearbeitet: „Mein Ziel ist es, mich weiter bei einwöchigen Rundfahrten zu verbessern. Aber auch die anspruchsvolle WM in Österreich ist definitiv ein Ziel für diese Saison.“

Auf dem Weg zur Weltspitze
Große Ziele, die in Anbetracht von Schachmanns erster Jahreshälfte allerdings realistisch erscheinen. Insbesondere, da er sich in seiner Mannschaft in einer weitaus besseren Position sieht als noch im Debütjahr: „Über den Winter gab es viele Abgänge und Zugänge, wodurch sich die Struktur des Teams etwas verändert hat. Ich denke, dadurch wird sich die eine oder andere Chance mehr für mich ergeben“, hofft er, um gleichzeitig einzuschränken: „Wie viel Verantwortung mir übertragen wird, wird sich nach den ersten Rennen zeigen. Eine große Rolle wird dabei spielen, wie ich meine Verletzung wirklich verkraftet habe.“ Falls mit der Ferse alles passt, wird Schachmann nach einem Einstand bei der Dubai Tour die Eintagesrennen Classic de’l Ardeche und Royal Bernard Drome Classic bestreiten. „Je nachdem, wie diese Rennen laufen, wird sich mein weiteres Rennprogramm gestalten“, sagt er. Neben den deutschen Meisterschaften und einer WM-Teilnahme hat der Berliner ein weiteres großes Ziel: seine erste Grand-Tour-Teilnahme, die ihm aufgrund seiner Verletzung im Sommer 2017 verwehrt geblieben war. Dass er das Zeug dazu hat, hat Schachmann schon oft genug bewiesen – dieses Mal muss nur die Gesundheit besser mitspielen.

Palmarès
4. Platz Deutsche Meisterschaften Zeitfahren 2017, 5. Platz Deutsche Meisterschaften Straße 2017, 4. Platz Ster ZLM Tour 2017 (2.1), Vizeweltmeister Zeitfahren U23 2016, Deutscher Meister Zeitfahren U23 2016, Vizeweltmeister Zeitfahren U23 2015, 3. Platz Europameisterschaft Zeitfahren U23 2015, 3. Platz Weltmeisterschaft Straße Junioren 2012

Pascal Ackermann
Team Bora–hansgrohe
24 Jahre, 2. Profisaison

Viel hätte nicht gefehlt und Pascal Ackermann hätte seine zweite Profisaison beinahe mit einem Sieg begonnen. Nachdem er sich bei der Vuelta a San Juan Ende Januar vornehmlich in den Dienst seines Teams gestellt hatte, bekam die Sprinthoffnung auf dem letzten Tagesabschnitt selbst freie Fahrt. Das Ergebnis: ein vierter Platz. Für den 24-jährigen Ackermann ein Jahresauftakt nach Maß – insbesondere, da er sich Topsprinter und Etappensieger Giacomo Nizzolo auf der Zielgeraden in San Juan nur knapp geschlagen geben musste. Dass Ackermann einer der kommenden Topsprinter sein könnte, hat der Jungprofi aus den Reihen von Bora–hansgrohe bereits in seinem Debütjahr 2017 zur Genüge bewiesen: Einem vierten Etappenrang bei den Drei Tagen von De Panne ließ er Anfang April unter anderem einen bärenstarken fünften Platz beim Scheldeprijs folgen, als er kurzfristig für seinen gestürzten Kapitän Peter Sagan einsprang. Der Höhepunkt: die Straßen-Europameisterschaft Anfang August im dänischen Herning. Im Massenspurt nach 241 Kilometern belegte der 24-Jährige den vierten Platz – knapp geschlagen vom neuen Europameister Alexander Kristoff. „Das war sicher mein persönliches Highlight im vergangenen Jahr“, blickt er zurück.

Reif für den ersten Profisieg
Obwohl 2018 erst seine zweite Rennsaison im Profipeloton sein wird, erwarten nicht wenige von dem 24-Jährigen aus Kandel aufgrund seiner Vorjahresauftritte das ein oder andere Ausrufezeichen. „Ich bin Sprinter und habe damit auch selbst Ansprüche an mich. Natürlich will ich abliefern, sobald ich die Chance bekomme. Wenn das Team für einen arbeitet, will man das schließlich mit den bestmöglichen Ergebnissen belohnen“, sagt er nicht umsonst. Im Hinblick auf seine Saisonziele fügt Ackermann hinzu: „Es werden sich sicher mehr Chancen wie im letzten Jahr ergeben und auch die Rennplanung wurde an meinen Fahrertyp angepasst – damit wird die Verantwortung natürlich höher.” Bei der Tour de San Juan Ende Januar in Argentinien hat das jedenfalls schon einmal gut geklappt. Der weitere Weg in der ersten Saisonhälfte führt ihn über die Abu Dhabi Tour und anschließend nach Belgien, wo er einige der Kopfsteinpflaster-Klassiker bestreiten wird. Dass er auch hier einer der kommenden Stars sein könnte, hat er schließlich bereits im vergangenen Jahr beim Scheldeprijs bewiesen. Der erste Profisieg ist für „Ackes“ jedenfalls zum Greifen nah. Nicht umsonst sagt er: „Ich würde gerne mein erstes Rennen im Bora-Trikot gewinnen und meine Chancen nutzen.“

Palmarès
4. Platz Europameisterschaft Straße 2017, 5. Platz Scheldeprijs 2017 (1.HC), Vizeweltmeister Straßenrennen U23 2016, Deutscher Meister Straßenrennen U23 2016, Deutscher Meister Mannschaftszeitfahren 2016, 2 x Etappensieger Tour de Berlin 2016 (U2.2), Etappensieger Szlakiem Grodów Piastowskich 2015 (2.1)

 

Silvio Herklotz
Team Burgos-BH
23 Jahre, 3. Profisaison

Manchmal muss man einen Schritt zurückgehen, um sich weiterzuentwickeln. Silvio Herklotz hat genau diese Entscheidung getroffen: Nach zwei Jahren bei Bora–hansgrohe in der World-Tour wechselte der 23-Jährige in diesem Winter zur zweitklassigen spanischen Equipe Burgos-BH. „Natürlich habe ich gehofft, den Durchbruch bei den Profis so schnell wie möglich zu schaffen – aber das ist nicht passiert. Nichtsdestotrotz habe ich in meiner Zeit bei Bora viel für die Zukunft gelernt“, sagt der Berliner, der nach seinem deutschen Straßenmeistertitel in der U23 2013 und seinem Gesamtwertungserfolg bei der Tour Alsace im gleichen Jahr einst als neue deutsche Hoffnung am Rundfahrerhimmel galt. Bei Bora fand Herklotz allerdings nie zu dieser Stärke zurück. „Ich habe immer alles gegeben. Aber hier und da kam das Pech dazu, manchmal war das Rennprogramm nicht optimal, manchmal hat die Gesundheit nicht mitgespielt“, resümiert er seine ersten beiden Profijahre. Oft machte er sich auch selbst zu viel Druck. Ein Paradebeispiel: die Vuelta a España 2016. Gleich in seinem ersten Profijahr durfte der Berliner seine erste dreiwöchige Landesrundfahrt bestreiten – auf der elften Etappe musste der junge Bora-Profi allerdings mit einem fiebrigen Magen-Darm-Infekt aufgeben. „Ich blicke mit gemischten Gefühlen auf jene Vuelta zurück. Einerseits war es in jedem Fall das Highlight schlechthin, hätte wirklich gerne gesehen, wie mein Körper über drei Wochen hinweg funktioniert“, erinnert er sich.

Neue Chance im Süden
Genau Spanien soll nun allerdings zum Ort der Kehrtwende in der noch jungen Karriere des Silvio Herklotz werden. Über Berater Marc Bator kam der Kontakt zu Burgos-BH zustande – eine junge Equipe, die sich in Zukunft internationaler aufstellen will und bei der Herklotz von Beginn an einer der Leistungsträger sein wird. „Als ich das Angebot bekommen habe, habe ich sofort zugeschlagen: Zum einen ist Spanien der ideale Ort, um Rad zu fahren, zum anderen hat es mich auch gereizt, ein komplett neues Umfeld zu bekommen und zugleich eine neue Sprache vor Ort lernen zu können“, erzählt Herklotz, der Anfang des Jahres in seine neue Heimat übersiedelte. Sein Rennprogramm wird der junge deutsche Hoffnungsträger in dieser Saison nämlich größtenteils auf der iberischen Halbinsel absolvieren. Nach Valencia- und Andalusien-Rundfahrt zum Start soll die Katalonien-Rundfahrt Ende März dann eine erste Standortbestimmung liefern. Das Fernziel für 2018 soll eine Teilnahme an der Spanien-Rundfahrt sein. „Auch wenn wir die Wildcard nicht sicher haben, richte ich die Saison nach der Vuelta aus“, erzählt er. Herklotz wirkt zielsicher, wenn er über seine diesjährigen Pläne spricht, der Schritt zurück in die zweite Liga scheint sich mental für ihn schon jetzt bezahlt gemacht zu haben. Er weiß: Die Saison 2018 ist für ihn die zweite Chance bei den Profis. „Und ich hoffe, dass ich diese Chance nutzen kann.“

Palmarès
4. Platz Czech Cycling Tour (2.1) 2017, 11. Platz Trofeo Serra de Tramuntana (1.1) 2017, 9. Platz Oberösterreich-Rundfahrt (2.2) 2016, Sieger Gran Premio Palio del Recioto (1.2) 2014, Deutscher Straßenmeister U23 2013, Deutscher Bergmeister U23 2013, Gesamtsieger Tour Alsace (2.2) 2013



Cover Procycling Ausgabe 169

Den vollständingen Artikel finden Sie in Procycling Ausgabe 169.

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