Bronze gewonnen

Die Weltmeisterschaften von Kopenhagen sind Geschichte. Am Ende konnte ich zwar nicht den erhofften Titel erringen – den ersten deutschen im Straßenrennen seit dem Sieg von Rudi Altig 1966 –, aber mit Platz drei wurde es dennoch ein achtbares Ergebnis.

 

Wenn man wochenlang auf die Goldmedaille hingearbeitet hat, ist es kurz nach dem Rennen natürlich manchmal schwer, sich über einen dritten Platz richtig zu freuen. Doch unter den gegebenen Umständen können wir uns alle aufrichtig in die Augen schauen und mit unserer Leistung zufrieden sein. Wir waren ein echt tolles Team!

Aber von Anfang an: Schon eine Woche vor dem Straßenrennen traf sich das deutsche Team zur Vorbereitung in der dänischen Hauptstadt. In dieser Zeit haben wir viel gemeinsam trainiert und uns Gedanken zur Renntaktik gemacht. Natürlich standen auch die Streckenbesichtigung und andere organisatorische Dinge auf unserem Programm. Das Mannschaftstraining war sehr wichtig: zum einen, damit wir uns als Mannschaft kennenlernen. Normalerweise sind wir ja fast alle Konkurrenten. Und zum anderen hatten wir uns ja für diese Weltmeisterschaften sehr viel vorgenommen. Unsere beiden „alten Hasen“ Danilo Hondo und Andreas Klier waren in den ersten Tagen dabei die Rudelsführer, und ich bin ihnen sehr dankbar dafür, wie sie die Mannschaft in dieser einen Woche auf das gemeinsame Ziel eingeschworen haben. Ich selbst bin dabei optimistisch in das Rennen gegangen. Auch nervös war ich überhaupt nicht – schließlich hatten wir alle ja unsere (Trainings-)Hausaufgaben gemacht.

Im Rennen lief zunächst auch alles nach Plan. Mit den Briten fanden wir schnell einen Verbündeten, mit dem wir uns gemeinsam um die Nachführarbeit gekümmert haben. Vor allem Bert Grabsch und Andreas Klier waren hier sehr aktiv – bis es im Peloton zu einem größeren Sturz kam. Durch diesen verloren die beiden sowie Tony Martin und Christian Knees den Anschluss, und so mussten wir kurzfristig unsere Taktik umstellen und auch ein bisschen pokern. Es konnte nun ja keiner mehr mit den Briten mitarbeiten und sich darum kümmern, die Ausreißer einzuholen.

Doch die vier waren nicht unsere einzigen Verluste: Marcel Kittel musste leider nach 230 Kilometern reißen lassen, und John Degenkolb hatte ausgerechnet in der letzten Runde einen Defekt, sodass auch er im Finale nicht mehr dabei war. Die beiden haben aber trotzdem einen richtig guten Job gemacht. Am Ende blieben aber so nur noch Hondo und Sieberg bei mir. Wir haben uns abgesprochen und uns darauf geeinigt, dass es am meisten Sinn macht, mich in eine gute Position zu fahren.
 
Hondo hat dann Tempo gemacht und Sibi mich an der zehnten Stelle abgesetzt. Dieser Ausgangspunkt in der letzten Kurve war richtig gut – auch Erik Zabel hat mir vor dem Rennen zu dieser Position geraten. Aber dann kam leider eine Welle von links, und ich wurde für kurze Zeit eingebaut. Zweimal kam ich ziemlich nah an die Bande, sodass ich mehrere Tritte auslassen musste. Deswegen war letztlich nicht mehr drin als der dritte Platz. Die Briten waren im Finale richtig stark, und so kann ich ohne jede Einschränkung sagen, dass Mark Cavendish auch der verdiente Sieger ist – Glückwunsch an den neuen Weltmeister! Gleichzeitig möchte ich die Gelegenheit auch nutzen, mich bei allen Betreuern, Mechanikern, Sportlichen Leitern und Co. für das Vertrauen und die tolle Unterstützung zu bedanken.

Wenn mir jemand vor dem Rennen den dritten Platz prophezeit hätte, hätte ich sofort unterschrieben. Auf der anderen Seite war ich halt so gut in Form und hatte auch wieder den schnellsten Sprint – so viele Möglichkeiten, eine WM zu gewinnen, gibt es ja auch nicht. Dennoch kann ich mit Rang drei und dem einen Zentimeter Vorsprung auf Cancellara zufrieden sein. So haben wir alle gemeinsam am Ende auch entsprechend gefeiert.

Das haben wir uns auch verdient – nicht nur, weil das deutsche Ergebnis im Allgemeinen sehr gut war, sondern auch, weil sich für fast jeden eine lange Saison ihrem Ende nähert. Für mich war die WM mein vorletztes Rennen. Nur noch der Münsterland Giro steht an – dann geht es in die verdiente Winterpause. Die ist dann auch ein guter Zeitpunkt, um ein Fazit zu ziehen und einen Ausblick auf 2012 zu geben – das lest ihr dann beim nächsten Mal!
 
André Greipel ist einer der erfolgreichsten Sprinter im Profi-Peloton. Nach fünf Jahren bei HTC-Columbia und T-Mobile trägt er 2011 das Trikot von Omega Pharma – Lotto.
 


Cover Procycling Ausgabe 93

Den vollständingen Artikel finden Sie in Procycling Ausgabe 93.

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