Nach-Tour- Müdigkeit

Jetzt ist es schon eine ganze Zeit her, dass ich euch zum letzten Mal von meinen Rennerlebnissen berichtet habe. Seit der Frankreich-Rundfahrt sind immerhin schon fast zwei Monate ins Land gegangen. Für mich ging es in dieser Zeit vor allem darum, mich zu erholen und auf die vor der Tür stehende Straßen-WM vorzubereiten – vor allem Ersteres war dabei alles andere als einfach.

 

Die Belastung meines „Frankreich-Urlaubs“ steckte mir nämlich noch gut in den Beinen, daher bestritt ich im Anschluss an die große Schleife nur drei der sogenannten Nach-Tour-Kriterien: Luxemburg, Neuss und Hannover. Die letzten beiden gewann ich, sodass ich mir mit einem guten Gefühl ein paar Tage Ruhe gönnen konnte. Diese währte aber nur kurz, denn Anfang August stand mit der Eneco Tour schon die nächste wichtige Rundfahrt auf dem Programm.

Dieses einwöchige Etappenrennen durch die Benelux-Staaten gehört für unser Team zu den wichtigsten überhaupt – schließlich kommen unsere Hauptsponsoren aus Belgien, und wir genießen hier den Heimvorteil. Entsprechend motiviert reisten wir zum Start ins niederländische Amersfoort. Doch schon beim Prolog hatte ich ein wenig mit Motorproblemen zu kämpfen. Meine Beine fühlten sich von der langen Tour de France noch sehr schwer an, und ich kam nicht recht in Schwung.

Auf der ersten Etappe lief es dann Gott sei Dank besser: Das Rennen war sehr nervös, aber die Mannschaft arbeitete sehr gut, sodass mir Sibi [Marcel Sieberg] und Jürgen [Roelandts] den Sprint toll vorbereiten konnten: Durch die enge Zielgerade war es zwar schwer, ein Loch zu finden, aber im richtigen Moment tat sich die Lücke doch noch auf und ich konnte mich bei den Jungs mit einem Etappensieg bedanken. Auch am nächsten Tag lief alles nach Maß, und ich holte den zweiten Erfolg für unsere Equipe. Philippe [Gilbert] hatte dann auf der dritten Etappe die schnellsten Beine – Heimvorteil genutzt, würde ich sagen.

Trotz dieser guten Ergebnisse musste ich aber vor allem an den Anstiegen erkennen, dass mir die Tour noch zu schaffen machte. Vor allem der letzte Tagesabschnitt war ziemlich hart: Ständig ging es rauf und runter, und das Profil sah wie eine kleine Version des Amstel Gold Race aus. Ich stellte mich deshalb in den Dienst der Mannschaft und leistete Führungsarbeit – in die Entscheidung um den Tagessieg konnte ich leider nicht eingreifen.
 
Nach der Eneco Tour hoffte ich dann auf ein gutes Ergebnis bei den Vattenfall Cyclassics. Im Vorfeld zum Favoritenkreis gezählt, konnte ich die Erwartungen bei diesem Rennen auf heimischem Boden aber leider nicht erfüllen. Mein Körper machte mir einen Strich durch die Rechnung: Am Waseberg bekam ich sowohl in den Beinen als auch in den Armen Krämpfe, sodass ich weder im Sitzen noch im Stehen richtig fahren konnte. Mist! Entsprechend demoralisiert war ich nach dem Rennen. Es mag wohl daran liegen, dass ich im Vorfeld keinerlei Erfahrung hatte, wie es ist, im Juli eine dreiwöchige Rundfahrt vom Kaliber der Tour zu bestreiten. Daher legte ich nach den Cyclassics erst einmal eine Pause ein.

Gerade im Hinblick auf die anstehende Straßen-WM in Dänemark hätte ich in Hamburg natürlich ein Erfolgserlebnis gebrauchen können. Ich werde dennoch alles geben, damit in Kopenhagen ein gutes Resultat herausspringt. Im Formulieren von Zielen bin ich zwar immer vorsichtig – vor allem, weil eine WM ja immer ihre eigenen Gesetze hat –, aber dennoch glaube ich, dass eine Podiumsplatzierung herausspringen kann. Vorausgesetzt, unser Team arbeitet gut zusammen und ich befinde mich in Topform.

Die Strecke sollte mir auf jeden Fall entgegenkommen. Bis auf den 500 Meter kurzen Schlussanstieg ist sie wohl weitestgehend flach, und die endschnellen Fahrer sind im Vorteil. Ich hoffe, das bestätigt sich, wenn wir den Kurs mit der Mannschaft im Vorfeld besichtigen. Mein Ziel ist es auf jeden Fall, mein Bestes zu geben. Ich hoffe, ich kann euch beim nächsten Mal von einer Medaillen-reichen WM berichten!
 
André Greipel ist einer der erfolgreichsten Sprinter im Profi-Peloton. Nach fünf Jahren bei HTC-Columbia und T-Mobile trägt er 2011 das Trikot von Omega Pharma – Lotto.


Cover Procycling Ausgabe 92

Den vollständingen Artikel finden Sie in Procycling Ausgabe 92.

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